Portumanha - das ist eine Zusammensetzung der Wörter Portugal und Alemanha (Deutschland) und will genau dies auch bewirken. Ein besseres Verständnis der Kulturen und auch für Sie eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem potenziellen Reiseland.
Auf dieser Seite finden Sie verschiedene Artikel zu Geschichte, Gesellschaft, Politik, Alltag und Kuriositäten Portugals mit speziellen Fokus auf Porto und den Norden.
VIel Spaß beim Lesen!
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Bisherige Artikel in der Übersicht
1. Die ilhas - Arbeiterviertel in Porto
Die sogenannten ilhas sind Viertel mit kleinen Wohnungen für die Arbeiterklasse, die sich in Porto im 19. Jahrhundert entwickelten. In ihrer einfachsten Form bestehen die ilhas in einer Reihe von kleinen Häusern mit nur einem Stockwerk. Zum Artikel
2. Lockdown für Porto - Die Beulenpest 1899 in Porto aus aktueller Sicht
Die Bevölkerung Portos wurde in ihrer Geschichte schon ein paar Mal von Seuchen und Krankheiten heimgesucht. In diesem Artikel möchte ich die am kürzeste zurückliegende Seuche aus aktueller Sicht näher beleuchten: die Beulenpest von 1899.
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Die ilhas – Arbeiterviertel in Porto
von Nicolas Neef
Sie sind in Porto in vielen Teilen der Stadt zu finden,
meist versteckt, fernab des alltäglichen Tourismus
und erlauben eine Reise durch Portos Stadtentwicklung.
Die sogenannten ilhas sind Viertel mit kleinen Wohnungen für die Arbeiterklasse, die sich in Porto im 19. Jahrhundert entwickelten. In ihrer einfachsten Form bestehen die ilhas in einer Reihe von kleinen Häusern mit nur einem Stockwerk. Diese wurden meistens auf dem Gelände hinter der Häuser der Mittel- und Oberschicht gebaut mit dem Ein-und Ausgang über die bourgeoisen Häuser mithilfe von kleinen Gängen. Die ilhas sind die Konsequenz der Industrialisierung der Stadt Porto und die Notwendigkeit, die wachsende Zahl an Arbeitermigranten vom Land Mitte des 19. Jahrhunderts zu beherbergen.
Der Name „Inseln“ kommt daher, dass sie hinter den eigentlichen Fassaden lagen und nur einen Zugang hatten und so größtenteils abgeschirmt vom eigentlichen Geschehen waren.
Die ilhas boten eine Form des Wohnens, die an die ökonomischen Mittel der Bewohner, an die finanziellen Mittel der Erbauer und an die spezielle Situation in der sie erbaut wurden, angepasst war. Die Arbeitsmigration, die ihren Höhepunkt zwischen 1879 und 1890 hatte, verursachte eine nie dagewesene Wohnungsknappheit. Im Jahr 1890 war ca. ein Drittel der Bevölkerung Portos bäuerlichen Ursprungs, die in die Stadt migriert sind. Die sehr geringen Löhne erlaubten ihnen nur sehr günstige Wohnungen zu beziehen.
Die industrielle Entwicklung in Porto und die ilhas
Erst mit einer neuen Regierung innerhalb der konstitutionellen Monarchie (governo da Regeneração), die 1851 an die Macht kam, entwickelte sich die Stadt Porto industriell weiter. Mit dem Bau neuer Straßen und neuer Bahnlinien, neuer Reformen und dem Einsatz neuer Technologien, wurde die Entwicklung Portugals vorangetrieben. Diese Veränderungen hatten einen großen Einfluss auf die industrielle Entwicklung der Stadt Porto, besonders nach den 1860er Jahren. Während die Bevölkerungszahl im Jahr 1864 noch 86.761 betrug stieg sie im Jahr 1878 auf 105.838, 138.860 im Jahr 1890 bis auf 167.955 in 1900. Quasi eine Verdopplung der Bevölkerung über einen Zeitraum von 36 Jahren.
Viele der neu dazugekommenen Einwohner waren Migranten vom Land, von denen viele im boomenden Industriesektor Arbeit fanden. In 1856 gab es 5.885 Fabrikarbeiter, 58% davon Männer und 42% Frauen, die vor allen Dingen in den 213 Textilfabriken in der Stadt arbeiteten. In 1881 war mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Fabriken angestellt oder war abhängig von der Industrie.
Der zunehmende Bau von ilhas ging einher mit der wachsenden Bevölkerung. Der größte Anteil der ilhas wurde zwischen 1864 und 1900 erbaut, in Zahlen ca. 10.000 der einstöckigen Häuser innerhalb der Viertel. Dies entsprach 63% des Gesamtvolumens der städtischen Baumaßnahmen in diesem Zeitraum. Der Großteil der Bewohner der ilhas waren Arbeiter, die entweder in den Textilfabriken oder aber auch als Schuster, Tischler, Maurer, Schlosser oder Trödler arbeiteten. 1899 betrug die Anzahl der Fabrikarbeiter 68% der Bevölkerung der ilhas.
Die Lebensbedingungen der Bewohner der ilhas waren denkbar schlecht: die Häuser waren klein, schnell und schluderig errichtet und vielen von ihnen überfüllt. Zu dieser Zeit betrug die Miete ca. 10% des Einkommens. Dies mag wenig erschienen, man muss aber bedenken, dass 80% des Einkommens für Essen verwendet wurde. Die allgemeinen Bedingungen für die Arbeiter verschlechterten sich zum Ende des 19. Jahrhunderts immer weiter. Grund hierfür waren die Anschaffung neuer Maschinen und dem Überangebot an Arbeitskräften, welches es den Unternehmer erlaubte, die Löhne weiter zu senken. Die finanziellen Möglichkeiten eine höhere Miete zu zahlen, waren also sehr begrenzt, weshalb die ilhas für viele die einzige Option für bezahlbare Wohnmöglichkeiten blieb, auch wenngleich die Stadt Porto mit einigen selbsterrichteten Arbeitersiedlungen dagegen steuern wollte, deren Bedeutung über einen symbolischen Charakter aber nicht hinauskamen. Im Jahr 1929 gab es insgesamt 1301 ilhas mit insgesamt 14.676 Häusern. Die Zahl ist seit dem Boom zwischen 1864 und 1900 also weiter gestiegen.
Wer baute die ilhas?
Der Großteil der ilhas wurde nicht etwa durch die bourgeoisen Großunternehmer errichtet, sondern vor allen Dingen von Händlern und Handwerkern der unteren Mittelschicht, die ihre begrenzten finanziellen Mittel in den kostengünstigen Bau der ilhas investierten. Die Mehrzahl dieser ilhas wurde in den alten Gebieten und Hinterhöfen der Bourgeoise errichtet. Die gängigen Maße für ein Haus in einer ilha waren 4x4 Meter. Im Inneren gab es ein Wohnzimmer, was gleichzeitig als Schlafzimmer diente (4+2,5 Meter), ein kleines Schlafzimmer (2,5x1,5 Meter) und eine Küche (1,5x1,5 Meter). Fast keine der ilhas hatten direkten Zugang zum Wasser und Kanalisation. Selbst nach der Einführung eines neuen Abflusssystems im Jahr 1907 hatten nur 7% der ilhas einen Zugang dazu. Der Großteil der ilhas hatte weiterhin nur die Aborte, wo eine Gemeinschaftstoilette durchschnittlich von 5 Familien genutzt wurde.
Obwohl die ilhas mit der Entwicklung der Industrie in Porto zusammenhingen und das Stadtbild prägten, war die wirtschaftlich stärkste Kraft im 19. Jahrhundert der Handel und das Finanzwesen. Die Fabriken und die Arbeiterviertel trugen aber dazu bei, dass Porto den Anschein einer Arbeiterstadt erlangte und führte auch dazu, dass einige Viertel, die in der Vergangenheit höher angesehen wurden, durch den ständigen Rauch, die Gerüche und die meist doch etwas unflätigen neuen Nachbarn degradiert wurden. Viele der Bewohner dieser Stadtteile, die der Mittelschicht angehörten, verließen ihre angestammten Viertel und zogen vor allen Dingen in den Westteil der Stadt, wo der Gestank der Fabriken, die größtenteils im Osten angesiedelt waren, dank des Atlantiks nicht hinkam.
Stadtentwicklung und die ilhas
Bis zum 18. Jahrhundert war Porto, zusammen gehalten mit der Stadtmauer, unterschied sich so vollkommen vom Land. Die Identität der Stadt wurde durch die Ummauerung noch verstärkt. Mehr noch als die Stadt zu schützen, halfen die Mauern Porto eine eigene Identität zu kreieren und zu schützen.
Das Abtragen der Mauern und die urbanen Projekte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schienen eine progressive Ausbreitung und eine solide Struktur für die Entwicklung Portos der folgenden Jahrzehnte zu versprechen. In der Erwartung des Wachstums durch den Handel mit Portwein und der konsequent ansteigende Reichtum der Stadt, planten die Gouverneure von Porto, João de Almada, und später sein Sohn Francisco de Almada e Mendonça, ab 1760 die Erweiterung der Stadt. Um den alten Stadtkern herum wurden vier große Straßen angelegt, die, mit den Verbindungsstraßen, eine Fläche strukturierten, die drei- oder viermal größer war als die Altstadt.
Jedoch wurde das Wachstum durch die die französische Invasion (1807-1813), sowie durch den Bürgerkrieg (1832-34) gehemmt und stagnierte. Das langsame Wachstum führte dazu, dass die angrenzenden Dörfer nicht einfach geschluckt wurden, sondern vielmehr ihre Kultur und Lebensweise beibehielten und in die der Porto integrierten. Es war schwer zu sagen, wo die Stadt aufhörte und das Ländliche begann.
Das bekannteste Fest Portos, die Festlichkeiten zum S. João, war eine typisch ländliche Tradition und daher ist nicht verwunderlich, dass Porto und die ilhas mit den ruralen Bewohnern zum Zentrum dieser Festlichkeiten wurde. An diesem Tag kehrt die Stadt zu ihren ruralen Wurzeln zurück.
Die Einwohner der ilhas wohnten in zwei verschiedenen Welten. Die Welt der Fabriken und die der ilhas. Die ilhas waren nicht einsehbar, sie lagen meist versteckt hinter den bourgeoisen Häuserfassaden.
Alles in allem war es aber nicht die Arbeiterklasse, die die dominante Position in der Stadt ausübte. Diese Position behielt die Händler-Schicht, die die Stadt wirtschaftlich und sozial dominierte.
Die Mittel- und Oberschicht Portos investierte nie so viel in die Stadtentwicklung wie vergleichbare Städte im 19. Jahrhundert. Die Stadt war damals nie zum Ziel großer Bauprojekte geworden, die das Wachstum der Stadt steuern sollte.
Die Bewohner Portos haben nie eine moderne Stadt geformt. Oder in den Worten von Almeida-Garrett: Porto ist nie über ein „großes Dorf (grande aldeão)“ hinausgekommen. Die fehlgeschlagenen und nicht vorhandenen städteplanerischen Programme führten dazu, dass es bis zum heutigen Tag die ilhas immer noch gibt.
Die ilhas sollen weg!
Es gab nicht wenige der bourgeoisen Gesellschaftsschicht Zugehörigen, denen die ilhas ein Dorn im Auge waren. Aufgrund der schwierigen hygienischen Voraussetzungen und der Überpopulation in vielen ilhas brachen immer wieder Epidemien und Konflikte aus. Doch die Enge brachte auch etwas Besonderes hervor: Solidarität und Nachbarschaft, die in vielen anderen Teilen der Stadt schon verloren waren. Die Bewohner der ilhas mussten auch zusammenhalten. Wer auf so engen Raum mit wenig Mitteln zusammenwohnte, musste sich zwangsläufig verstehen.
Zwischen 1956 und 1966 wurden mit dem Programm „Plano de Melhoramentos“ in 10 Jahren mehr als 6.000 Häuser gebaut und weitere Tausende in den folgenden Jahren. Das Problem war, dass sich diese Häuser in der Peripherie der Stadt befanden und die Bewohner der ilhas nicht immer freiwillig ihre Heimat verließen. Salazar wollte die ilhas nicht mehr im Stadtzentrum haben und veranlasste große Umsiedlungen und Demolierung vieler ilhas. Dies führte dazu, dass viele der ehemaligen „Insulaner“ sich in einer neuen und fremden Umgebung zurechtfinden mussten, dessen Struktur ganz anders war als die der ilhas. Die Solidarität und Nachbarschaft konnte häufig nicht in das neue Umfeld transportiert werden. Es brachte jedoch eine Verbesserung der Wohnbedingungen mit sich. Die Wohnungen waren relativ modern und gut geplant. Allerding waren sie eben nach der Maxime so viel wie möglich auf möglichst kleiner Fläche gebaut worden und ähnelten vielerorts den Plattenbauten der DDR.
Auf dem Politisch-sozialen Niveau waren die neuen Viertel Ghettos, in denen die Überwachung unter Salazar zur Perfektion getrieben wurde. Gerade auch weil die Zuweisung in die neuen Wohnungen nach einer bestimmten Strategie vorgenommen wurde, nämlich die alten Nachbarschaften und Komplizenschaften zu brechen, um so einer Organisation möglicher Revolten vorzubeugen, wurden alte Nachbarn sehr selten im gleichen Block untergebracht.
Das Vermächtnis der ilhas
Heutzutage sind die ilhas in einem sehr schlechten Zustand, bewohnt von Menschen, die, wenn sie Glück haben einen lebenslangen Mietvertrag haben, ein sehr geringes Einkommen haben. Renovierungen sind eher die Ausnahmen. Mit den steigenden Touristenzahlen werden die ilhas für die Immobilieninvestoren interessant, da viele dort die Möglichkeit sehen kleine Apartments an Touristen zu vermieten, die in dieser romantischen Illusion des einfachen Lebens, beschränkt auf einige Quadratmeter, ein paar Tage verbringen wollen. Denn häufig ist es nicht mehr als eine romantische Illusion. Viele ilhas verfallen nur nicht vollständig, weil sich die Bewohner liebevoll darum kümmern. Für die Sauberkeit dort sind alleine die Bewohner zuständig, nicht die Stadtwerke, da der Weg zu den Haustüren meistens nicht als öffentliche Straße betrachtet wird. Warum sollten die Besitzer der ilhas auch investieren, wenn die Bewohner aufgrund der alten Mietverträge so wenig Miete zahlen, dass Renovierungen immer ein Verlustgeschäft wären.
Die Stadt Porto hat bereits einige wenige ilhas vor der Immobilienspekulation gerettet und von ihrem Vorrecht gebraucht gemacht die Objekte selbst zu kaufen. Damit wird in den meisten Fällen gewährleistet, dass dieser bezahlbare Wohnraum erhalten bleibt.
Die Zukunft der ilhas ist also nicht sicher. Manche werden zu Touristenapartments, andere bleiben der Stadt und den Menschen erhalten. Es sollte sich aber erinnert werden, was die ilhas ursprünglich waren. Die erste Anlaufstelle für die Arbeiter, die vom Land in die Stadt kamen und in den kleinen Arealen häufig ihre Traditionen und Kultur aufrechterhalten konnten. Nachbarschaft ist und war dort immer sehr wichtig. Es waren kleine „Inseln“ mitten in einer Stadt und viele sind es heutzutage immer noch.
Heutzutage gibt es ca. 957 ilhas mit ungefähr 10.000 Bewohnern
Auf unserer Tour Porto unberührt begehen wir diese Viertel und werden viel über die Lebensweise erfahren.
Der Artikel beruht auf folgenden Quellen:
TEIXEIRA, Manuel C. – Habitação Popular na Cidade Oitocentista. as Ilhas do Porto, 2019
https://faktual.pt/sociedade/as-ilhas-do-porto-do-passado-ao-presente [25.04.2020]
von Nicolas Neef
Sie sind in Porto in vielen Teilen der Stadt zu finden,
meist versteckt, fernab des alltäglichen Tourismus
und erlauben eine Reise durch Portos Stadtentwicklung.
Die sogenannten ilhas sind Viertel mit kleinen Wohnungen für die Arbeiterklasse, die sich in Porto im 19. Jahrhundert entwickelten. In ihrer einfachsten Form bestehen die ilhas in einer Reihe von kleinen Häusern mit nur einem Stockwerk. Diese wurden meistens auf dem Gelände hinter der Häuser der Mittel- und Oberschicht gebaut mit dem Ein-und Ausgang über die bourgeoisen Häuser mithilfe von kleinen Gängen. Die ilhas sind die Konsequenz der Industrialisierung der Stadt Porto und die Notwendigkeit, die wachsende Zahl an Arbeitermigranten vom Land Mitte des 19. Jahrhunderts zu beherbergen.
Der Name „Inseln“ kommt daher, dass sie hinter den eigentlichen Fassaden lagen und nur einen Zugang hatten und so größtenteils abgeschirmt vom eigentlichen Geschehen waren.
Die ilhas boten eine Form des Wohnens, die an die ökonomischen Mittel der Bewohner, an die finanziellen Mittel der Erbauer und an die spezielle Situation in der sie erbaut wurden, angepasst war. Die Arbeitsmigration, die ihren Höhepunkt zwischen 1879 und 1890 hatte, verursachte eine nie dagewesene Wohnungsknappheit. Im Jahr 1890 war ca. ein Drittel der Bevölkerung Portos bäuerlichen Ursprungs, die in die Stadt migriert sind. Die sehr geringen Löhne erlaubten ihnen nur sehr günstige Wohnungen zu beziehen.
Die industrielle Entwicklung in Porto und die ilhas
Erst mit einer neuen Regierung innerhalb der konstitutionellen Monarchie (governo da Regeneração), die 1851 an die Macht kam, entwickelte sich die Stadt Porto industriell weiter. Mit dem Bau neuer Straßen und neuer Bahnlinien, neuer Reformen und dem Einsatz neuer Technologien, wurde die Entwicklung Portugals vorangetrieben. Diese Veränderungen hatten einen großen Einfluss auf die industrielle Entwicklung der Stadt Porto, besonders nach den 1860er Jahren. Während die Bevölkerungszahl im Jahr 1864 noch 86.761 betrug stieg sie im Jahr 1878 auf 105.838, 138.860 im Jahr 1890 bis auf 167.955 in 1900. Quasi eine Verdopplung der Bevölkerung über einen Zeitraum von 36 Jahren.
Viele der neu dazugekommenen Einwohner waren Migranten vom Land, von denen viele im boomenden Industriesektor Arbeit fanden. In 1856 gab es 5.885 Fabrikarbeiter, 58% davon Männer und 42% Frauen, die vor allen Dingen in den 213 Textilfabriken in der Stadt arbeiteten. In 1881 war mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Fabriken angestellt oder war abhängig von der Industrie.
Der zunehmende Bau von ilhas ging einher mit der wachsenden Bevölkerung. Der größte Anteil der ilhas wurde zwischen 1864 und 1900 erbaut, in Zahlen ca. 10.000 der einstöckigen Häuser innerhalb der Viertel. Dies entsprach 63% des Gesamtvolumens der städtischen Baumaßnahmen in diesem Zeitraum. Der Großteil der Bewohner der ilhas waren Arbeiter, die entweder in den Textilfabriken oder aber auch als Schuster, Tischler, Maurer, Schlosser oder Trödler arbeiteten. 1899 betrug die Anzahl der Fabrikarbeiter 68% der Bevölkerung der ilhas.
Die Lebensbedingungen der Bewohner der ilhas waren denkbar schlecht: die Häuser waren klein, schnell und schluderig errichtet und vielen von ihnen überfüllt. Zu dieser Zeit betrug die Miete ca. 10% des Einkommens. Dies mag wenig erschienen, man muss aber bedenken, dass 80% des Einkommens für Essen verwendet wurde. Die allgemeinen Bedingungen für die Arbeiter verschlechterten sich zum Ende des 19. Jahrhunderts immer weiter. Grund hierfür waren die Anschaffung neuer Maschinen und dem Überangebot an Arbeitskräften, welches es den Unternehmer erlaubte, die Löhne weiter zu senken. Die finanziellen Möglichkeiten eine höhere Miete zu zahlen, waren also sehr begrenzt, weshalb die ilhas für viele die einzige Option für bezahlbare Wohnmöglichkeiten blieb, auch wenngleich die Stadt Porto mit einigen selbsterrichteten Arbeitersiedlungen dagegen steuern wollte, deren Bedeutung über einen symbolischen Charakter aber nicht hinauskamen. Im Jahr 1929 gab es insgesamt 1301 ilhas mit insgesamt 14.676 Häusern. Die Zahl ist seit dem Boom zwischen 1864 und 1900 also weiter gestiegen.
Wer baute die ilhas?
Der Großteil der ilhas wurde nicht etwa durch die bourgeoisen Großunternehmer errichtet, sondern vor allen Dingen von Händlern und Handwerkern der unteren Mittelschicht, die ihre begrenzten finanziellen Mittel in den kostengünstigen Bau der ilhas investierten. Die Mehrzahl dieser ilhas wurde in den alten Gebieten und Hinterhöfen der Bourgeoise errichtet. Die gängigen Maße für ein Haus in einer ilha waren 4x4 Meter. Im Inneren gab es ein Wohnzimmer, was gleichzeitig als Schlafzimmer diente (4+2,5 Meter), ein kleines Schlafzimmer (2,5x1,5 Meter) und eine Küche (1,5x1,5 Meter). Fast keine der ilhas hatten direkten Zugang zum Wasser und Kanalisation. Selbst nach der Einführung eines neuen Abflusssystems im Jahr 1907 hatten nur 7% der ilhas einen Zugang dazu. Der Großteil der ilhas hatte weiterhin nur die Aborte, wo eine Gemeinschaftstoilette durchschnittlich von 5 Familien genutzt wurde.
Obwohl die ilhas mit der Entwicklung der Industrie in Porto zusammenhingen und das Stadtbild prägten, war die wirtschaftlich stärkste Kraft im 19. Jahrhundert der Handel und das Finanzwesen. Die Fabriken und die Arbeiterviertel trugen aber dazu bei, dass Porto den Anschein einer Arbeiterstadt erlangte und führte auch dazu, dass einige Viertel, die in der Vergangenheit höher angesehen wurden, durch den ständigen Rauch, die Gerüche und die meist doch etwas unflätigen neuen Nachbarn degradiert wurden. Viele der Bewohner dieser Stadtteile, die der Mittelschicht angehörten, verließen ihre angestammten Viertel und zogen vor allen Dingen in den Westteil der Stadt, wo der Gestank der Fabriken, die größtenteils im Osten angesiedelt waren, dank des Atlantiks nicht hinkam.
Stadtentwicklung und die ilhas
Bis zum 18. Jahrhundert war Porto, zusammen gehalten mit der Stadtmauer, unterschied sich so vollkommen vom Land. Die Identität der Stadt wurde durch die Ummauerung noch verstärkt. Mehr noch als die Stadt zu schützen, halfen die Mauern Porto eine eigene Identität zu kreieren und zu schützen.
Das Abtragen der Mauern und die urbanen Projekte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schienen eine progressive Ausbreitung und eine solide Struktur für die Entwicklung Portos der folgenden Jahrzehnte zu versprechen. In der Erwartung des Wachstums durch den Handel mit Portwein und der konsequent ansteigende Reichtum der Stadt, planten die Gouverneure von Porto, João de Almada, und später sein Sohn Francisco de Almada e Mendonça, ab 1760 die Erweiterung der Stadt. Um den alten Stadtkern herum wurden vier große Straßen angelegt, die, mit den Verbindungsstraßen, eine Fläche strukturierten, die drei- oder viermal größer war als die Altstadt.
Jedoch wurde das Wachstum durch die die französische Invasion (1807-1813), sowie durch den Bürgerkrieg (1832-34) gehemmt und stagnierte. Das langsame Wachstum führte dazu, dass die angrenzenden Dörfer nicht einfach geschluckt wurden, sondern vielmehr ihre Kultur und Lebensweise beibehielten und in die der Porto integrierten. Es war schwer zu sagen, wo die Stadt aufhörte und das Ländliche begann.
Das bekannteste Fest Portos, die Festlichkeiten zum S. João, war eine typisch ländliche Tradition und daher ist nicht verwunderlich, dass Porto und die ilhas mit den ruralen Bewohnern zum Zentrum dieser Festlichkeiten wurde. An diesem Tag kehrt die Stadt zu ihren ruralen Wurzeln zurück.
Die Einwohner der ilhas wohnten in zwei verschiedenen Welten. Die Welt der Fabriken und die der ilhas. Die ilhas waren nicht einsehbar, sie lagen meist versteckt hinter den bourgeoisen Häuserfassaden.
Alles in allem war es aber nicht die Arbeiterklasse, die die dominante Position in der Stadt ausübte. Diese Position behielt die Händler-Schicht, die die Stadt wirtschaftlich und sozial dominierte.
Die Mittel- und Oberschicht Portos investierte nie so viel in die Stadtentwicklung wie vergleichbare Städte im 19. Jahrhundert. Die Stadt war damals nie zum Ziel großer Bauprojekte geworden, die das Wachstum der Stadt steuern sollte.
Die Bewohner Portos haben nie eine moderne Stadt geformt. Oder in den Worten von Almeida-Garrett: Porto ist nie über ein „großes Dorf (grande aldeão)“ hinausgekommen. Die fehlgeschlagenen und nicht vorhandenen städteplanerischen Programme führten dazu, dass es bis zum heutigen Tag die ilhas immer noch gibt.
Die ilhas sollen weg!
Es gab nicht wenige der bourgeoisen Gesellschaftsschicht Zugehörigen, denen die ilhas ein Dorn im Auge waren. Aufgrund der schwierigen hygienischen Voraussetzungen und der Überpopulation in vielen ilhas brachen immer wieder Epidemien und Konflikte aus. Doch die Enge brachte auch etwas Besonderes hervor: Solidarität und Nachbarschaft, die in vielen anderen Teilen der Stadt schon verloren waren. Die Bewohner der ilhas mussten auch zusammenhalten. Wer auf so engen Raum mit wenig Mitteln zusammenwohnte, musste sich zwangsläufig verstehen.
Zwischen 1956 und 1966 wurden mit dem Programm „Plano de Melhoramentos“ in 10 Jahren mehr als 6.000 Häuser gebaut und weitere Tausende in den folgenden Jahren. Das Problem war, dass sich diese Häuser in der Peripherie der Stadt befanden und die Bewohner der ilhas nicht immer freiwillig ihre Heimat verließen. Salazar wollte die ilhas nicht mehr im Stadtzentrum haben und veranlasste große Umsiedlungen und Demolierung vieler ilhas. Dies führte dazu, dass viele der ehemaligen „Insulaner“ sich in einer neuen und fremden Umgebung zurechtfinden mussten, dessen Struktur ganz anders war als die der ilhas. Die Solidarität und Nachbarschaft konnte häufig nicht in das neue Umfeld transportiert werden. Es brachte jedoch eine Verbesserung der Wohnbedingungen mit sich. Die Wohnungen waren relativ modern und gut geplant. Allerding waren sie eben nach der Maxime so viel wie möglich auf möglichst kleiner Fläche gebaut worden und ähnelten vielerorts den Plattenbauten der DDR.
Auf dem Politisch-sozialen Niveau waren die neuen Viertel Ghettos, in denen die Überwachung unter Salazar zur Perfektion getrieben wurde. Gerade auch weil die Zuweisung in die neuen Wohnungen nach einer bestimmten Strategie vorgenommen wurde, nämlich die alten Nachbarschaften und Komplizenschaften zu brechen, um so einer Organisation möglicher Revolten vorzubeugen, wurden alte Nachbarn sehr selten im gleichen Block untergebracht.
Das Vermächtnis der ilhas
Heutzutage sind die ilhas in einem sehr schlechten Zustand, bewohnt von Menschen, die, wenn sie Glück haben einen lebenslangen Mietvertrag haben, ein sehr geringes Einkommen haben. Renovierungen sind eher die Ausnahmen. Mit den steigenden Touristenzahlen werden die ilhas für die Immobilieninvestoren interessant, da viele dort die Möglichkeit sehen kleine Apartments an Touristen zu vermieten, die in dieser romantischen Illusion des einfachen Lebens, beschränkt auf einige Quadratmeter, ein paar Tage verbringen wollen. Denn häufig ist es nicht mehr als eine romantische Illusion. Viele ilhas verfallen nur nicht vollständig, weil sich die Bewohner liebevoll darum kümmern. Für die Sauberkeit dort sind alleine die Bewohner zuständig, nicht die Stadtwerke, da der Weg zu den Haustüren meistens nicht als öffentliche Straße betrachtet wird. Warum sollten die Besitzer der ilhas auch investieren, wenn die Bewohner aufgrund der alten Mietverträge so wenig Miete zahlen, dass Renovierungen immer ein Verlustgeschäft wären.
Die Stadt Porto hat bereits einige wenige ilhas vor der Immobilienspekulation gerettet und von ihrem Vorrecht gebraucht gemacht die Objekte selbst zu kaufen. Damit wird in den meisten Fällen gewährleistet, dass dieser bezahlbare Wohnraum erhalten bleibt.
Die Zukunft der ilhas ist also nicht sicher. Manche werden zu Touristenapartments, andere bleiben der Stadt und den Menschen erhalten. Es sollte sich aber erinnert werden, was die ilhas ursprünglich waren. Die erste Anlaufstelle für die Arbeiter, die vom Land in die Stadt kamen und in den kleinen Arealen häufig ihre Traditionen und Kultur aufrechterhalten konnten. Nachbarschaft ist und war dort immer sehr wichtig. Es waren kleine „Inseln“ mitten in einer Stadt und viele sind es heutzutage immer noch.
Heutzutage gibt es ca. 957 ilhas mit ungefähr 10.000 Bewohnern
Auf unserer Tour Porto unberührt begehen wir diese Viertel und werden viel über die Lebensweise erfahren.
Der Artikel beruht auf folgenden Quellen:
TEIXEIRA, Manuel C. – Habitação Popular na Cidade Oitocentista. as Ilhas do Porto, 2019
https://faktual.pt/sociedade/as-ilhas-do-porto-do-passado-ao-presente [25.04.2020]

Lockdown für Porto -
Die Beulenpest in Porto 1899 im aktuellen Licht
von Nicolas Neef
Nachdem der Arzt Ricardo Jorge das Auftreten der Beulenpest
in Porto 1899 bekannt machte, folgten Anspannung und Proteste
aufgrund der Maßnahmen, die zur Eingrenzung der Seuche
gefasst wurden.
Im Moment hält der Coronavirus (Covid-19) die Welt in Atem. Und auch Porto ist nicht unbetroffen. Gerade noch Touristen-Hochburg und in Begriff den Besucherrekord ein weiteres Jahr zu überbieten, sind die Straßen nun menschenleer. Ein Vergleich zur aktuellen Situation liegt nahe und an manchen Stellen des Artikels wird sich der Leser an einige aktuelle Vorkommnisse erinnert fühlen.
Die Bevölkerung Portos wurde in ihrer Geschichte aber schon ein paar Mal von Seuchen und Krankheiten heimgesucht. In diesem Artikel möchte ich die am kürzeste zurückliegende Seuche näher beleuchten: die Beulenpest von 1899. Die Beulenpest beschränkte sich wie auch der Coronavirus nicht auf ein Gebiet. Sie nahm ihren Ursprung in Porto und breitete sich vor dort aus.
Der Ursprung
Der Patient Nummer 1 in Porto war der aus Galizien(Spanien) stammende Lastenträger im Hafen Portos, Gregorio Blanco, der zu der Zeit Weizen in die Lagerhäuser von der Firma Barreto transportierte. Seit einigen Tagen schon fühlte er sich nicht wohl. Als er am 5. Juni torkelnd nach Hause kam, dachten Freunde und Nachbarn noch, dass er betrunken sei. Da er vom Latrinengang nicht zurückkam, schauten die Freunde nach und fanden ihn tot vor.
Nachdem der Arzt Dr. Ricardo Jorge die ersten Opfer untersuchte und die Beulen in den Achselhöhlen und am Hals bemerkte, wusste er, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handelte und Maßnahmen zu ergreifen waren. In seinem eigenem Labor untersuchte er am 6. Juni die bisher bekannten Fälle (zehn Erkrankte und vier Tote) und sein Verdacht bestätigte sich: es handelte sich um die Beulenpest. Denn schon vier Jahre zuvor, 1895, wurden die Bazillen von Alexandre Yersin entdeckt. Schon 1840 hatte diese Pest eine Epidemie in der chinesischen Provinz Yunnan ausgelöst.
Maßnahmen werden getroffen
Obwohl schon früh hygienische Maßnahmen getroffen wurden und die Zone der Ribeira, wo die Pest zuerst ausgebrochen war, abgeriegelt wurde, breitete sich die Seuche auf weitere Teile der Stadt aus. Der Handel und die Industrie hatten wirtschaftlich unter den Verordnungen zu leiden. Ihr Unmut ging sogar soweit, das ihre Vertreter Dr. Ricardo Jorge mit Steinen beschmissen, weshalb dieser mit Polizeischutz seine Besuche durchführen musste und letzten Endes auch nach Lissabon floh, nachdem Porto komplett abgeriegelt worden war.
Aus dem klinischen und gesellschaftlichen Umfeld (etwa die Zeitschriften Comércio do Porto, Jornal de Notícias und Voz Pública) kamen ebenfalls kritische Stimmen, die die Wahrhaftigkeit Jorges Aussagen in Frage stellten, was zu Misstrauen unter der Bevölkerung Portos führte. Was folgte waren Demonstrationen und Tumulte in den Straßen, die der Eindämmung der Epidemie nicht unbedingt halfen.
Grund für den Unmut war aber auch der Fakt, dass die Maßnahmen aus Lissabon verordnet wurden, der Hauptstadt und Rivale Portos. Viele waren der Ansicht, dass Lissabon Porto ihren bis dato zu verzeichneten Aufschwung nicht gönnte und deshalb Portos Wirtschaft schwächen wollte.
Folgen
Die Abriegelung der Stadt führte dazu, dass viele der Bewohner Hunger leideten. Suppenküchen wurden ins Leben gerufen und es wurde gratis Essen verteilt. Selbst das Militär teilte seine Rationen mit der bedürftigen Bevölkerung.
Dank der relativ rasch erfolgenden eindämmenden Maßnahmen wurde die Epidemie in Porto eingedämmt und schließlich besiegt. Insgesamt gab es 320 registrierte Fälle sowie 132 Todesopfer. Bis zum heutigen Tag gibt es Stimmen, die sagen, dass Porto seitdem nicht mehr dieselbe war. Die Ressentiments Portos gegenüber Lissabon nahmen in der Folgezeit weiter zu und sind in der zweitgrößten Stadt Portugals, der Hauptstadt des Nordens, auch heute noch zu spüren.
Der Artikel beruht auf folgenden Quellen:
JORGE, Ricardo (1899) – A peste bubónica no Porto. Porto: Deriva Editores, 2010
SILVA, José Gomes da (1987) – A peste bubónica – Epidemias de peste em Macau em 1895, 1897 e 1898 e Andaço do Porto em 1899, Porto:Magalhães e Moniz
https://www.publico.pt/2020/03/10/opiniao/opiniao/ultima-epidemia-peste-porto-ha-120-anos-1907052 [24.04.2020]
Die Beulenpest in Porto 1899 im aktuellen Licht
von Nicolas Neef
Nachdem der Arzt Ricardo Jorge das Auftreten der Beulenpest
in Porto 1899 bekannt machte, folgten Anspannung und Proteste
aufgrund der Maßnahmen, die zur Eingrenzung der Seuche
gefasst wurden.
Im Moment hält der Coronavirus (Covid-19) die Welt in Atem. Und auch Porto ist nicht unbetroffen. Gerade noch Touristen-Hochburg und in Begriff den Besucherrekord ein weiteres Jahr zu überbieten, sind die Straßen nun menschenleer. Ein Vergleich zur aktuellen Situation liegt nahe und an manchen Stellen des Artikels wird sich der Leser an einige aktuelle Vorkommnisse erinnert fühlen.
Die Bevölkerung Portos wurde in ihrer Geschichte aber schon ein paar Mal von Seuchen und Krankheiten heimgesucht. In diesem Artikel möchte ich die am kürzeste zurückliegende Seuche näher beleuchten: die Beulenpest von 1899. Die Beulenpest beschränkte sich wie auch der Coronavirus nicht auf ein Gebiet. Sie nahm ihren Ursprung in Porto und breitete sich vor dort aus.
Der Ursprung
Der Patient Nummer 1 in Porto war der aus Galizien(Spanien) stammende Lastenträger im Hafen Portos, Gregorio Blanco, der zu der Zeit Weizen in die Lagerhäuser von der Firma Barreto transportierte. Seit einigen Tagen schon fühlte er sich nicht wohl. Als er am 5. Juni torkelnd nach Hause kam, dachten Freunde und Nachbarn noch, dass er betrunken sei. Da er vom Latrinengang nicht zurückkam, schauten die Freunde nach und fanden ihn tot vor.
Nachdem der Arzt Dr. Ricardo Jorge die ersten Opfer untersuchte und die Beulen in den Achselhöhlen und am Hals bemerkte, wusste er, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handelte und Maßnahmen zu ergreifen waren. In seinem eigenem Labor untersuchte er am 6. Juni die bisher bekannten Fälle (zehn Erkrankte und vier Tote) und sein Verdacht bestätigte sich: es handelte sich um die Beulenpest. Denn schon vier Jahre zuvor, 1895, wurden die Bazillen von Alexandre Yersin entdeckt. Schon 1840 hatte diese Pest eine Epidemie in der chinesischen Provinz Yunnan ausgelöst.
Maßnahmen werden getroffen
Obwohl schon früh hygienische Maßnahmen getroffen wurden und die Zone der Ribeira, wo die Pest zuerst ausgebrochen war, abgeriegelt wurde, breitete sich die Seuche auf weitere Teile der Stadt aus. Der Handel und die Industrie hatten wirtschaftlich unter den Verordnungen zu leiden. Ihr Unmut ging sogar soweit, das ihre Vertreter Dr. Ricardo Jorge mit Steinen beschmissen, weshalb dieser mit Polizeischutz seine Besuche durchführen musste und letzten Endes auch nach Lissabon floh, nachdem Porto komplett abgeriegelt worden war.
Aus dem klinischen und gesellschaftlichen Umfeld (etwa die Zeitschriften Comércio do Porto, Jornal de Notícias und Voz Pública) kamen ebenfalls kritische Stimmen, die die Wahrhaftigkeit Jorges Aussagen in Frage stellten, was zu Misstrauen unter der Bevölkerung Portos führte. Was folgte waren Demonstrationen und Tumulte in den Straßen, die der Eindämmung der Epidemie nicht unbedingt halfen.
Grund für den Unmut war aber auch der Fakt, dass die Maßnahmen aus Lissabon verordnet wurden, der Hauptstadt und Rivale Portos. Viele waren der Ansicht, dass Lissabon Porto ihren bis dato zu verzeichneten Aufschwung nicht gönnte und deshalb Portos Wirtschaft schwächen wollte.
Folgen
Die Abriegelung der Stadt führte dazu, dass viele der Bewohner Hunger leideten. Suppenküchen wurden ins Leben gerufen und es wurde gratis Essen verteilt. Selbst das Militär teilte seine Rationen mit der bedürftigen Bevölkerung.
Dank der relativ rasch erfolgenden eindämmenden Maßnahmen wurde die Epidemie in Porto eingedämmt und schließlich besiegt. Insgesamt gab es 320 registrierte Fälle sowie 132 Todesopfer. Bis zum heutigen Tag gibt es Stimmen, die sagen, dass Porto seitdem nicht mehr dieselbe war. Die Ressentiments Portos gegenüber Lissabon nahmen in der Folgezeit weiter zu und sind in der zweitgrößten Stadt Portugals, der Hauptstadt des Nordens, auch heute noch zu spüren.
Der Artikel beruht auf folgenden Quellen:
JORGE, Ricardo (1899) – A peste bubónica no Porto. Porto: Deriva Editores, 2010
SILVA, José Gomes da (1987) – A peste bubónica – Epidemias de peste em Macau em 1895, 1897 e 1898 e Andaço do Porto em 1899, Porto:Magalhães e Moniz
https://www.publico.pt/2020/03/10/opiniao/opiniao/ultima-epidemia-peste-porto-ha-120-anos-1907052 [24.04.2020]